Hundegeschichten

Wie konntest du nur !


Als ich noch ein Welpe war,
unterhielt ich dich mit meinen Possen
und brachte Dich zum Lachen.
Du nanntest mich Dein Kind,
und trotz einer Anzahl durchkauter Schuhe
und so manchem abgeschlachteten Sofakissen
wurden ich Dein bester Freund.
 Immer, wenn ich böse war,
erhobst Du Deinen Zeigefinger und fragtest mich
         "Wie konntest Du nur!"
 
Aber dann gabst Du nach
und drehtest mich auf den Rücken,
um meinen Bauch zu kraulen.

junghundbett

Ich erinnere mich an jene Nächte,
in denen ich mich im Bett kuschelte
und Du mir Deine Geheimnisse
und Träume anvertrautest,
und ich glaubte,
das Leben könnte schöner nicht sein.
 Gemeinsam machten wir
lange Spaziergänge im Park,

drehten Runden mit dem Auto, holten uns Eis
( ich bekam immer nur die Waffel,
denn "Eiskrem ist schlecht für Hunde", sagtest Du ),
und ich döste stundenlang in der Sonne,
 während ich auf Deine abendliche Rückkehr wartete.
Allmählich fingst Du an, mehr Zeit mit Deiner Arbeit
und Deiner Karriere zu verbringen
und auch damit, Dir einen menschlichen Gefährten zu suchen.
         
 Ich wartete geduldig auf Dich,
tröstete Dich über Liebeskummer und Enttäuschungen hinweg,
 tadelte Dich niemals wegen schlechter Entscheidungen
und überschlug mich voll Freude,
wenn Du heimkamst und als Du Dich verliebtest.
         
 Sie , jetzt Deine Frau, ist kein "Hundemensch".
Trotzdem hiess ich sie in unserem Heim willkommen,
versuchte ihr meine Zuneigung zu zeigen und gehorchte ihr.
Ich war glücklich, weil Du glücklich warst.
         
Dann kamen die Menschenbabies,
und ich teilte Deine Aufregung darüber.
Ich war fasziniert von ihrer rosa Haut und ihrem Geruch
und wollte sie genauso bemuttern.

hundalleine

Nur dass Du und Deine Frau Angst hattet,
ich könnte ihnen weh tun
und so verbrachte ich die meiste Zeit verbannt
 in einem anderen Zimmer oder in meiner Hütte.

Oh, wie sehr wollte auch ich
sie lieben, aber ich wurde zu einem "Gefangenen der Liebe".
         
Als sie grösser waren, wurde ich ihr Freund.
Sie krallten sich in meinem Fell fest,
zogen sich daran hoch auf wackeligen Beinen,
piksten ihre Finger in meine Augen, inspizierten meine Ohren
und gaben mir Küsse auf die Nase.
         
Ich liebte alles an ihnen und
ihre Berührung denn Deine Berührung war so selten geworden -
und ich hätte sie mit meinem Leben verteidigt,
wenn es nötig gewesen wäre.
Ich kroch heimlich in ihre Betten,
hörte ihren Sorgen und Träumen zu,
und gemeinsam warteten wir
auf das Geräusch Deines Wagen in der Auffahrt.

jungehundspiel

Es gab einmal eine Zeit,
da zogst Du auf die Frage, ob Du einen Hund hättest,
ein Foto von mir aus der Brieftasche
und erzähltest Geschichten über mich.
In den letzten Jahren hast Du nur noch mit "Ja" geantwortet
und das Thema gewechselt.
Ich hatte mich von "Deinem Hund" in "nur einen Hund" gewandelt,
und jede Ausgabe für mich wurde Dir ein Dorn im Auge.
        
Jetzt hast Du eine neue Berufsmöglichkeit
in einer anderen Stadt und Du und sie
werdet in eine Wohnung ziehen,
in der Haustiere nicht gestattet sind.
Du hast die richtige Wahl für "Deine" Familie getroffen,
aber es gab einmal eine Zeit, da war ich Deine einzige Familie.

Ich freute mich über die Autofahrt, bis wir im Tierheim ankamen.
Es roch nach Hunden und Katzen, nach Angst,
nach Hoffnungslosigkeit.
Du fülltest ein Formular aus und sagtest:
"Ich weiss, Sie werden ein gutes Zuhause für sie finden".
Mit einem Achselzucken warfen
sie Dir einen gequälten Blick zu.
Sie wissen, was einen Hund oder eine Katze in "mittleren" Jahren erwartet,
auch mit "Stammbaum".
         
Du musstest Deinem Sohn jeden Finger einzeln vom Halsband lösen.
"Nein, Papa! Sie dürfen mir meinen Hund nicht wegnehmen!".
Und ich machte mir Sorgen um ihn
und um die Lektionen, die Du ihm gerade beigebracht hattest:
Über Freundschaft und Loyalität, über Liebe und Verantwortung,
und über Respekt
         
Zum Abschied hast Du mir den Kopf getätschelt, meine Augen vermieden
und höflich auf das Halsband und die Leine verzichtet.
Du hattest einen Termin einzuhalten, und nun habe ich auch einen.
         
Nachdem Du fort warst, sagten die beiden netten Damen,
Du hättest wahrscheinlich
schon seit Monaten von dem bevorstehenden Umzug gewusst
und nichts unternommen, um ein gutes Zuhause für mich zu finden.
Sie schüttelten den Kopf und fragten

"Wie konntest Du nur?".
 
Sie kümmerten sich um uns hier im Tierheim so gut es eben geht.
Natürlich werden wir gefüttert,
aber ich haben meinen Appetit schon vor Tagen verloren.
         
Anfangs rannt ich immer an das Gitter,
sobald jemand an meinen Käfig kam,
in der Hoffnung, das seist Du
- dass Du Deine Meinung geändert hättest -
dass all dies nur ein schlimmer Traum gewesen sei....
Oder ich hoffte, dass es zumindest jemand wäre,
der Interesse an mir hätte und mich retten könnte.

hundtraurig

Als ich einsah, dass ich nichts
aufzubieten hatten gegen das vergnügte
Aufmerksamkeit-Heischen unbeschwerter
Welpen,
ahnungslos gegenüber ihrem eigenen Schicksal,
zog ich mich in eine ferne Ecke zurück und
wartete.

Als sie am Ende des Tages kamen, um mich zu holen,
trottete ich den Gang entlang zu einem abgelegenen Raum.
Sie hoben mich auf den Tisch und kraulten meine Ohren
und sagte mir, es sei alles in Ordnung.
Mein Herz pochte vor Aufregung, was jetzt wohl geschehen würde,
aber da war auch ein Gefühl der Erleichterung.
Für den Gefangenen der Liebe war die Zeit abgelaufen.
 
Eine Frau in einem weissen Kittel sah mich an.
     Ihre Aufgabe lastete auf ihr und das fühlte ich,
genauso wie ich jede Deiner Stimmungen erfühlen konnte.
Ich leckte ihre Hand, um sie zu trösten,
genauso wie ich Du vor vielen Jahren getröstet hatte.
         
Mit geübtem Griff führte sie die Nadel in meine Vene ein.
Als ich den Einstich fühlte und spürte,
 wie die kühle Flüssigkeit durch meinen Körper lief,
wurde ich schläfrig und legte mich hin,
blickte in ihre gütigen Augen und flüsterte:
 
"Wie konntest Du nur!"
    
Vielleicht verstand sie die Hundesprache
    und sagte deshalb: "Es tut mir so leid".
Sie umarmte mich und beeilte sich mir zu erklären,
es sei ihre Aufgabe dafür zu sorgen, dass ich bald an
einem besseren Ort wäre,
wo ich weder ignoriert noch missbraucht noch ausgesetzt werden
könnte oder auf mich allein gestellt bin.
Einem Ort der Liebe und des Lichts,
vollkommen anders als dieser irdische Ort.
 
Und mit meiner letzten Kraft
versuchte ich ihr mit einem Klopfen
meines Schwanzes zu verstehen geben, dass mein

"Wie konntest Du nur?",
 
nicht ihr gegolten hatte.
Du warst es, mein geliebtes Herrchen, an den ich dachte.
Ich werde immer an Dich denken und auf Dich warten.
         
Möge Dir ein jeder in Deinem Leben so viel Loyalität zeigen.
 

Text aus: Jim Willis, "Die leise Stimme der Seele" .
 Bilder von Eva Eriksson aus "Peter und Pummel"

© Schüssler, fuego del viento, 2007-2010

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